Forbidden Royals 02 - Golden Throne Read online

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  Verflucht noch mal. Reiß dich zusammen, du Stalkerin.

  Ich gehe schnell weiter, erreiche mein Zimmer und schließe mich darin ein. Das Verriegeln meiner Tür sorgt dafür, dass ich mich leidlich sicherer fühle, was die verstörende Fixierung auf die angrenzende Suite anbelangt.

  Ich dusche, um den Staub und den getrockneten Schweiß von meinem Ausritt loszuwerden. Unter dem brühend heißen Wasser wird meine Haut knallrot. Während ich unter dem Wasserstrahl mit beiden Händen über meinen Körper streiche, schließe ich die Augen und gestatte mir nur für einen leichtsinnigen Moment die Vorstellung, dass sie jemand anders gehören.

  Jemandem mit dunklem zerzaustem Haar und strahlend blauen Augen, die geradewegs durch mich hindurch und bis in meine Seele blicken.

  Ich lasse meine Finger über meinen Bauch bis hinunter zu meinen Oberschenkeln wandern. Mein Körper ist vom Wasser ganz nass, als ich mich daranmache, mich zu berühren. Ich drücke den Rücken durch, und Erinnerungen fluten meinen Geist.

  Ein vom Mondlicht erhelltes Gewächshaus.

  Sein Mund auf meinem.

  Seine Hände an meinem Hals.

  In meinem Haar.

  Auf meinen Oberschenkeln.

  In meinem Innersten.

  Die Erinnerung daran sorgt dafür, dass ich rückwärts gegen die gekachelte Wand taumele. Mein Herz hämmert, meine Knie werden weich, und mein Atem geht stoßweise.

  Reiß dich zusammen , herrscht mich mein gesunder Menschenverstand an. Von ihm zu träumen wird dir auch nicht weiterhelfen.

  Aber Carter Thorne aus meinen Gedanken zu verbannen erweist sich als schwieriger denn je zuvor. Seit er mich gestern Nacht aus meinem Albtraum geweckt hat, bin ich nicht in der Lage gewesen, nicht an ihn zu denken. Ihm nach einem Monat des sorgfältig eingehaltenen Abstands plötzlich so nah zu sein, diese Augen zu sehen, seine Haut zu riechen … Das hat mich wie ein reiner Adrenalinschub erwischt und ein Verlangen in mir geweckt, von dem ich gedacht hatte, dass ich es längst begraben hätte.

  Ob es mir nun gefällt oder nicht, an jenem Abend im Gewächshaus …

  Hat er mich für sich beansprucht.

  Mit Leib und Seele.

  Berührung um Berührung.

  Stoß um Stoß.

  Ich sehne mich mit jeder Faser meines Körpers nach ihm, und das Gefühl wird umso stärker, je länger ich mir die Erfüllung verwehre. Wie ein Drogensüchtiger auf Entzug brauche ich mein nächstes High. Die unbeirrbare Intensität dieser Empfindung ängstigt mich ebenso sehr, wie sie mich erregt. Es ist ein so fremdartiges Gefühl, das ich nie zuvor verspürt habe.

  Ich bin nie der risikofreudige Typ gewesen. Ich konnte dem Leben am Abgrund nie etwas abgewinnen. Bevor ich zu Kronprinzessin Emilia wurde, war ich einfach nur das durchschnittliche Mädchen von nebenan. Eine gewöhnliche Studentin. Eine fleißige Arbeiterin. Eine verlässliche Freundin.

  Ich ging verantwortungsvoll mit Geld um.

  Ich war vernünftig.

  Ich ging nie unnötige Risiken ein. Ich jagte nie den bösen Jungs nach, die dafür sorgten, dass mein Herz schneller schlug, und tat auch nie etwas Leichtsinniges, nur um damit angeben zu können.

  Solange ich mich zurückerinnern kann, habe ich mein Leben in Schwarz und Weiß gelebt – ich habe mich an eindeutige und einfache Regeln gehalten und bin meine Probleme mit methodischer Genauigkeit angegangen. Ich probe jede wichtige Rede vor meinem Badezimmerspiegel. Ich erstelle auf vernunftbasierte Pro-und-Kontra-Listen. Ich vertraue eher auf meinen Kopf als auf mein Herz.

  Ich mag Wissenschaften.

  Ich mag Mathe.

  Ich mag konkrete Antworten und vorhersehbare Ergebnisse.

  Ich bin einfach keine Frau, die zulässt, dass lustvolle Gedanken ihr den Verstand vernebeln. Tatsächlich verabscheue ich solche Frauen.

  Und doch …

  Hier bin ich. Ein emotionales Wrack aus Lust und Verzweiflung – und das alles wegen eines Manns, den ich niemals haben kann.

  Ich weiß, das ist weder gut noch normal oder vernünftig.

  Und doch kann ich es nicht ändern. Ich kann es nicht abstellen.

  Ich kann ihn nicht aussperren.

  Ich drehe das Wasser ab, trete aus der Dusche auf den beheizten Marmorfußboden hinaus und schnappe mir ein Handtuch von der Halterung. Das Wappen der Lancasters – ein doppelköpfiger Löwe – ist mit dickem Goldfaden in den flauschigen weißen Baumwollstoff eingestickt. Ich starre es finster an, während ich mich abtrockne.

  Zum Teufel mit diesem Vermächtnis.

  Zum Teufel mit dem Blut, das durch meine Adern fließt.

  Zum Teufel mit der Krone, die sie mir auf den Kopf gesetzt haben, ohne je zu fragen, ob ich sie überhaupt wollte.

  Alles war so viel einfacher, als ich noch Emilia Lennox war, die fleißige Psychologiestudentin mit dem lavendelfarbenen Haar und einem jämmerlich unkomplizierten Liebesleben.

  Oh, wenn ich doch nur in dieses Leben zurückkehren könnte …

  3. KAPITEL

  Später am Nachmittag wünsche ich mir diese einfachen Zeiten noch sehr viel inständiger zurück. Ich trommele unablässig mit den Fingern auf dem Mahagonitisch herum, während ich darauf warte, dass das Beil der Guillotine auf mich herabfällt. Es muss schlechte Nachrichten geben – das ist der einzig mögliche Grund für diese doppelte Teambesprechung mit Gerald Simms, dem Pressesprecher des Palasts, und Lady Morrell, meiner offiziellen Benimmlehrerin in allen höfischen Angelegenheiten.

  Sie sitzen mir am Tisch gegenüber und mustern mich mit scharfem Blick, Zentimeter für Zentimeter, wie man es bei einem antiken Stück Porzellan machen würde.

  Zweifellos suchen sie nach Schwachstellen. Nach Makeln.

  Ich muss meine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um in meinem flauschigen Kaschmirpullover nicht vor ihnen herumzuzappeln und keine nicht vorhandenen Falten aus meiner schwarzen Jeans zu streichen, nur damit ich meine Hände irgendwie beschäftigen kann. Ich versuche, mich betont lässig zu geben, so als wäre mir alles egal, aber mein Herz rast, während ich darauf warte, dass einer von ihnen das Wort ergreift.

  Schließlich durchbricht Simms die beklemmende Stille. »Danke, dass Sie gekommen sind, Eure Hoheit.«

  Ich unterdrücke den Drang, die Augen zu verdrehen. Es ist ja schließlich nicht so, als ob ich in der Angelegenheit eine Wahl gehabt hätte. »In Ihrer Nachricht verlangten Sie nach meiner ›unverzüglichen Anwesenheit‹. Hier bin ich. Sowohl unverzüglich als auch anwesend.« Ich ziehe die Augen ein klein wenig zusammen. »Werden Sie mir jetzt verraten, warum ich hier bin, oder erwarten Sie, dass ich anfange zu raten?«

  »Das wird nicht nötig sein«, sagt Lady Morrell pikiert und sieht mich über ihre Hakennase hinweg an.

  Simms nimmt auf seinem Platz eine aufrechtere Haltung an, wodurch die Knöpfe an seinem marineblauen Fischgrätenanzug stark beansprucht werden. »Wir warten noch auf Ihre Majestät, bevor wir anfangen.«

  »Octavia?« , zische ich. »Was zum Teufel will sie von mir?«

  »Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise!«, rügt mich Lady Morrell.

  »Verraten Sie mir, was sie will, sonst verschwinde ich durch diese Tür.«

  »Prinzessin Emilia, bitte.« Der Fettwulst unter Simms’ Kinn zittert bedrohlich. »Es steht uns nicht zu, diese Angelegenheit vor ihrem Eintreffen zu erörtern.«

  »Zum Teufel damit.« Ich stehe auf. »Ich habe kein Interesse an irgendetwas, was diese verdammte Schlange zu sagen hat.«

  Ich höre, wie Lady Morrell nach Luft schnappt, aber der Laut wird sofort von einer eisigen Frauenstimme übertönt, die das Zimmer wie ein Donnerschlag durchzieht.

  »Hinsetzen.«

  Meine Muskeln spannen sich an. Mit trotzigem Blick drehe ich mich herum, um sie anzusehen – meine heißgeliebte Stiefmutter. Octavia Thorne. Die ehemalige Herzogin von Hightower. Die amtierende Königin von Caerleon.

  Ihr rotbraunes Haar ist zu einem eleganten Zopf geflochten, und ihr spindeldürrer Körper steckt in einem züchtigen Designerkleid. Der riesige gelbe Diamantanhänger um ihren Hals – zweifellos eins der berühmten Familienjuwelen der Lancasters aus der Schatzkammer des Palasts
– sieht schwer genug aus, um beim Fitnesstraining als Gewicht zu fungieren.

  Hass kocht schnell und heftig in mir hoch. Niemand sonst auf dieser Welt hat die Fähigkeit, eine solch negative Reaktion in mir hervorzurufen.

  »Ich sagte«, schnauzt sie, während sie auf ihren Stilettos ins Zimmer stolziert kommt. »Hinsetzen.«

  Ich rühre keinen Muskel. »Ich bin kein Hund, dem man Befehle erteilt.«

  »Nein.« Sie lächelt, und der Anblick jagt mir einen Schauer über den Rücken. Sie bleibt weniger als einen Schritt von mir entfernt stehen. Ihre blauen Augen sind so kalt, dass sie mich auf der Stelle zu Eis erstarren lassen. »Du bist ein irreparabler Fleck auf dieser Familie und schadest unserem Ansehen. Etwas, das man mit einer Brosche oder einer Anstecknadel verstecken muss. Wenigstens bis man dauerhaft etwas daran ändern kann. Bis man den Fleck herausschneiden und wegwerfen kann wie ein Stück Abfall.«

  Meine Wirbelsäule versteift sich. »Drohst du mir etwa?«

  »Warum in aller Welt sollte ich das nötig haben? Du wirst tun, was ich sage, ob dir das nun passt oder nicht.«

  »Darauf würde ich mich nicht verlassen.«

  »Oh? Was macht dein Freund Mr Harding noch so? Soweit ich unterrichtet bin, hat er bislang noch keine Anklage erhalten, oder?« Ihr Lächeln wird breiter. »Das könnte ich mit einem einzigen Anruf ändern, das versichere ich dir.«

  Ich lasse mich von ihr nicht unterkriegen, aber als sie Owen erwähnt, werde ich schlagartig von Unruhe erfasst. Sie bedroht meinen besten Freund nicht zum ersten Mal. Nun, da Mom tot ist, ist er der einzige Mensch, den ich noch als Familie bezeichnen kann.

  Zumindest … war das früher mal so.

  Auf der Suche nach einem Mittel, mich in der Gewalt zu haben, hatte Octavia in seiner Vergangenheit herumgewühlt und herausgefunden, dass er Verbindungen zu mehreren antimonarchischen Gruppierungen hat. Nichts Extremes – nur gewaltfreie Demonstrationen auf unserem Collegecampus und hin und wieder eine politische Versammlung –, aber das scheint für sie keine Rolle zu spielen. Owen ist in diesem unseligen Machtkampf, in den wir verstrickt sind, zu einem Druckmittel geworden, zu einem Werkzeug, mit dem sie mich unter Kontrolle hält.

  Er darf weiterhin in Freiheit bleiben, wenn ich im Austausch dafür mit ihr kooperiere.

  Und wann immer ich aus der Reihe zu tanzen drohe, setzt sie ihn wie eine Waffe gegen mich ein.

  »Soll ich einen Anruf tätigen?« Sie zieht die Augen zusammen. »Oder sollen wir zur Sache kommen?«

  Ich balle die Hände zu Fäusten. Ich würde ihr liebend gern eine davon ins Gesicht rammen. Da ich mich außerstande sehe, in einer angemessenen Lautstärke zu sprechen, sage ich lieber gar nichts.

  »Du strapazierst meine Geduld, Mädchen.«

  Ich beiße die Zähne zusammen. »Mein Name. Ist nicht. Mädchen .«

  »Dann verhalte dich auch wie eine Frau und nicht wie ein Kind, das einen Wutanfall hat.«

  Sie rauscht an mir vorbei, stolziert zum Kopfende des Tischs und lässt sich graziös auf ihren Stuhl sinken. Ich brauche einen Moment, um meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen, meine Fäuste zu lösen und meine Knie zu entkrampfen, damit ich in der Lage bin, mich auf meinen Stuhl sacken zu lassen.

  Frostige Stille erfüllt den kleinen Konferenzraum, bis Simms sich mit einem Räuspern bemerkbar macht.

  »Also dann. Nun, da alle anwesend sind, können wir uns der aktuellen Angelegenheit widmen.«

  Ich halte den Blick die ganze Zeit über auf Octavias Augen gerichtet. »Und die wäre? Die Spannung bringt mich fast um.«

  Er ignoriert meine spöttische Bemerkung. »Eure Hoheit, würden Sie es gerne erklären, oder soll ich das übernehmen?«

  »Sie dürfen unser …«, sie hält für eine tödliche Sekunde inne, »… Problem erläutern.«

  Ich ziehe höhnisch die Augenbrauen hoch. »Ihr Problem? Ich denke, dass man das mit einer Dosis Penizillin ganz gut in den Griff bekommen sollte.«

  Sie presst die Lippen zu einer flachen Linie zusammen. Hass blitzt in ihren Augen auf.

  Für diesen Spruch werde ich bezahlen.

  Lady Morrell versucht, ihren erstaunten Aufschrei mit einem Huster in ein besticktes Taschentuch zu überspielen. Simms, als der brave Soldat, der er ist, macht einfach weiter, als wäre nichts passiert.

  »Es ist kein Geheimnis, dass die öffentliche Wahrnehmung nach dem jüngsten Attentat von äußerster Wichtigkeit ist. Obwohl sich König Linus nun wieder im Palast befindet, ist uns allen bewusst, dass er seinen Verpflichtungen nicht im gewohnten Maß nachkommen kann. Er musste zahlreiche öffentliche Veranstaltungen absagen. Reden, Einweihungen, militärische Zeremonien und Ähnliches.« Simms rutscht nervös auf seinem Stuhl herum. »Das Volk hat seine Abwesenheit zur Kenntnis genommen. Und nach dem versuchten Mordanschlag während der Krönung letzten Monat scheint es eine wachsende Gruppe innerhalb der Bevölkerung zu geben, die gewisse … Bedenken … in Bezug auf die Stabilität des Hauses Lancaster äußert.«

  Ich reiße den Blick von Octavia los, um mich auf den beleibten Pressesprecher zu konzentrieren. »Bedenken?«

  »In Bezug auf das, was passieren wird, falls sich die Gesundheit des Königs verschlechtert. In Bezug auf die Stabilität unseres Landes, falls die Krone den Besitzer früher als erwartet wechseln wird.«

  Ah.

  Daher weht der Wind also. Der Rückhalt in der Öffentlichkeit bröckelt, und sie brauchen mich, damit ich die Rolle der Prinzessin spiele. Um die Gunst der Bevölkerung zu sichern, bis Linus wieder bei Kräften ist.

  Hmmmm …

  Ich wittere eine Gelegenheit, die Bedingungen meiner Gefangenschaft hier im Palast neu zu verhandeln. Sofort nehme ich auf meinem Stuhl eine aufrechtere Haltung ein. Meine Gedanken rasen, während ich meinen nächsten Schritt plane, aber meine Hände sind ein Vorbild an Gelassenheit, als ich sie langsam auf dem Tisch vor mir falte.

  »Ich verstehe, was Sie meinen, Simms. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, was ich damit zu tun habe.«

  Simms blinzelt. Meine Gleichgültigkeit scheint ihn zu verwirren. »Sie sind die Kronprinzessin. Die Thronanwärterin. Wenn das Volk die Stärke Ihres Vermächtnisses anzweifelt … könnte das den Gegnern der Monarchie zu einer noch stärkeren Position verhelfen! Sie könnten den Premierminister davon überzeugen, eine Volksabstimmung durchführen zu lassen.« Er senkt die Stimme zu einem entsetzten Flüstern, so als würde er es nicht wagen, die nächsten Worte laut auszusprechen, damit sie niemand zufällig mit anhören kann. »Das Parlament könnte eine Abschaffung der Monarchie verlangen.«

  Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Wäre das wirklich so schlimm? Ich für meinen Teil habe nie ein Interesse an der Herrschaft bekundet. Wenn das Volk mit seinem Herrscher nicht mehr zufrieden ist, ist es vielleicht an der Zeit, ihm Gehör zu schenken.«

  Er stottert. »Aber … Aber …«

  »Was für ein törichtes Geschwätz!«, mischt sich Octavia wütend ein. »Sie redet von Dingen, von denen sie nicht die geringste Ahnung hat!«

  »Eigentlich schon: Ich glaube, das nennt man Demokratie , Octavia. Du solltest den Begriff mal googeln.«

  »Ah, richtig, weil dieses demokratische System ja so gut für unsere amerikanischen Verbündeten funktioniert«, kommentiert Simms trocken und beweist damit einen für ihn untypischen Sinn für Humor. »Wie lange wird es wohl dauern, bis ihr Zweiparteiensystem in einen weiteren Bürgerkrieg mündet?«

  Ich habe keine Gelegenheit, zu antworten, denn Octavia lässt ihre Wut einmal mehr wie einen Peitschenhieb durchs Zimmer knallen. »Du würdest einfach so ein tausend Jahre altes Vermächtnis zerstören«, keift sie. »Und das alles wozu? Um mich zu ärgern?«

  »Du unterliegst einem Irrtum, wenn du glaubst, dass du auch nur den kleinsten Einfluss auf meine Entscheidungen hast.« Ich zwinge mich dazu, mit ruhiger Stimme zu sprechen, aber in meinem Inneren rast mein Puls mit doppelter Geschwindigkeit. Ich spiele ein gefährliches Spiel gegen eine äußerst erfahrene Gegnerin.

  Treib es nicht auf die Spitze.

  Knick nicht zu schnell ein.

  Ich täusche eine Gelassenheit vor, die ich nicht empfinde, und lasse meinen
kühlen Blick von Simms zu Lady Morrell und schließlich zu Octavia wandern. Meine Stimme ist vollkommen emotionslos.

  »Falls ich mich entscheiden sollte mitzuspielen – wobei die Aussichten darauf nicht allzu groß sind –, was soll ich dann für Sie tun?«

  »Im Grunde genommen werden Sie das Aushängeschild der königlichen Familie werden. Sie werden anstelle des Königs offizielle Aufgaben übernehmen, königliche Gunst erweisen und wenn nötig die Presse und die Öffentlichkeit begrüßen.« Simms sieht mich mit großen runden Augen an. »An Ihrem Titel als Kronprinzessin wird sich nichts ändern. Sie werden einfach nur mehr in der Öffentlichkeit erscheinen und die Pflichten eines Mitglieds des Hauses Lancaster übernehmen.«

  »Mit einem offenen Ohr für das gemeine Volk«, ergänzt Lady Morrell. »Die Leute brauchen dringend jemanden, hinter den sie sich stellen können. Eine junge und schöne Person, die eine lange und erfolgreiche Zukunft für unser Land symbolisiert.«

  Octavia schnaubt. Es wundert mich, dass ihr nicht bereits Rauch aus den Ohren quillt, nachdem sie gerade gehört hat, wie mich jemand als die junge, schöne Retterin ihrer kostbaren Dynastie bezeichnet hat. Ihr Gesichtsausdruck erinnert mich an den der bösen Königin aus Schneewittchen , die bis ins Mark erschüttert ist, als sie erfährt, dass sie nicht länger die Schönste im Königreich ist.

  Spieglein, Spieglein an der Wand … wer ist die am meisten Gebotoxte im ganzen Land …?

  Sagen wir mal, dass »in Würde altern« nicht zu ihren Tugenden zählt.

  Ich verziehe amüsiert die Lippen. Ich kann nicht leugnen, dass ich es tatsächlich ein wenig genieße zu sehen, wie sich Octavia windet. Zu sehen, wie sich das Blatt wendet, wie sie nun gezwungen ist, mich um Hilfe zu bitten. Nach all den schrecklichen Dingen, die sie den Menschen angetan hat, die mir wichtig sind, wünscht sich ein Teil von mir nichts sehnlicher, als zu sehen, wie diese grauenvolle Frau in die Knie gezwungen wird.

  Vielleicht bedeutet das, dass ich am Ende doch eine blutrünstige Lancaster bin.

  »Prinzessin Emilia …« Lady Morrell ringt die Hände. »Wenn Sie nicht bereit sind, die Nation zu einen, fürchte ich, dass der Geist Caerleons für immer verloren gehen könnte.«